Klärwerk.info / Nützliches / Allgemeine Meldungen und Berichte / Neue Lockstrompumpe hilft Fischen flussaufwärts unbeschadet Wasserkraftwerke zu passieren
Neue Lockstrompumpe hilft Fischen flussaufwärts unbeschadet Wasserkraftwerke zu passieren
So können Fische leichter wandern, Betreiber von Wasserkraftwerken Kosten sparen und gleichzeitig etwas für den Naturschutz tun: Die Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau an der Universität Kassel hat eine neuartige Lockstrompumpenanlage entwickelt und patentieren lassen, die Fischen das Auffinden der Wanderhilfen an Wehren und Wasserkraftwerken erleichtert. Eine Pilotanlage ist seit Herbst 2009 auch im Kraftwerk Liebenau an der Diemel in Betrieb.
Fische wie Barben, Brassen,
Barsche oder Rotaugen wandern im Frühjahr zu ihren Laichplätzen flussaufwärts.
Fernwanderfische, wie Meerforelle, Lachse oder Aale wandern in Ihrem Lebenslauf
weite Strecken zwischen Flüssen und dem Meer. Wasserkraftwerke stellen dabei
für sie ein unüberwindliches Hindernis dar. Deshalb werden für sie so genannte
Fischpässe gebaut, künstliche Wasserläufe aus Steinen und Beton mit
unterschiedlicher Architektur, die den Fischen den Aufstieg am Kraftwerk vorbei
stromaufwärts erlauben.
Doch da gibt es einen Haken: Damit sich die Fische am Auslauf des Kraftwerks
orientieren und den Einstieg zum Bypass finden, benötigen sie einen deutlich
spürbaren Wasserstrom, um angelockt zu werden. Wird diese Menge oberhalb des
Kraftwerks dem Fluss entzogen, um den Fischpass oder eine separate
Lockstromleitung zu speisen und im Eingang des Aufstiegs die Fische anzulocken,
so könne sich die Leistung des Wasserkraftwerks um bis zu zehn Prozent verringern,
sagt der Ingenieur Dr. Reinhard Hassinger, Leiter der Versuchsanstalt. Ein
hoher "Wasserverbrauch" für die Bypässe bringt für die
Wasserkraftwerksbetreiber also Einbußen an erzeugtem Strom, die in die
Millionen Euro gehen. Allein die öffentlichen und privaten Stromerzeuger
betreiben rund 650 Wasserkraftwerke nur an Hessens Flüssen.
Mit einer hydraulischen Lockstrompumpe im Eingangsportal des Fischaufstiegs
reduziert der Ingenieur den Wasserverlust für die Turbinen auf ein Minimum:
Oberhalb des Kraftwerks werden durch eine Lockstromleitung nur etwa ein Fünftel
bis ein Zehntel des benötigten Lockstroms dem Fluss entnommen und der
Lockstromverstärkungspumpe unterhalb des Kraftwerks zugeführt. Der Strahl, der
mit einer Düse herausgedrückt wird, verstärkt den Durchfluss des aus den
Kraftwerksturbinen ablaufenden Wasserstroms genau dort, wo er gebraucht wird,
am Eingang des Fischaufstiegs. Innerhalb des Fisch-Passes benötigten die Fische
nämlich längst nicht so viel Wasser für den Aufstieg, wie in diesem
Eingangsbereich, erläutert Dr. Hassinger. Das hat zur Folge, dass mit der
Erfindung aus Kassel bei Kraftwerksneubauten die Fischpässe und
Lockstromleitungen auch kleiner dimensioniert und somit kostengünstiger gebaut
werden können.
Doch auch bei den vielen schon bestehenden Fischaufstiegsanlagen, die teilweise
auch schon mit konventionell erzeugten Lockströmen arbeiten, sieht der
Ingenieur ein großes Marktpotential. Denn zahlreiche dieser Anlagen seien in
die Jahre gekommen und funktionierten kaum noch. Einen Anreiz für die
Nachrüstung biete das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), das für die
Verbesserung bestehender Fischpässe oder die Installation eines neuen
Fischaufstiegs ein Sonderentgelt von drei Cent pro erzeugter Kilowattstunde
vorsieht.
Mit zwei Pilotprojekten will die Versuchsanstalt beweisen, dass sich die
Lockstrompumpe in der Praxis bewährt. Eine Anlage wurde im Herbst vergangenen
Jahres im Kraftwerk Liebenau an der Diemel bei Hofgeismar installiert. In
diesem Jahr anstehende Untersuchungen an dieser Anlage werden vom
Regierungspräsidium Kassel mit 32000 Euro finanziert. Ein weiteres Pilotprojekt
an der Drau im österreichischen Villach läuft schon längere Zeit. Ein
österreichischer Lizenznehmer der Kasseler Erfindung sei außerdem derzeit im Gespräch
mit Investoren, die in der Schweiz die Fischwanderhilfen an neuen
Wasserkraftwerken mit der neuartigen Lockstrompumpe ausrüsten wollen, sagt Dr.
Hassinger.
Insgesamt fünf Verfahren zum umweltverträglicheren Auf- und Abstieg von Fischen
an Wasserkraftwerken und Stauanlagen habe sich die Versuchsanstalt bereits
patentieren lassen, berichtet Hassinger. Neben der Architektur eines
Fisch-Passes, der zugleich von Kanu-Wanderern benutzt werden kann, gehört dazu
auch die Entwicklung einer Fischsperre für Kraftwerksbauten, wie sie besonders
häufig vorkommen: Das Kraftwerk nimmt dabei nicht die ganze Breite des Flusses
ein, sondern nur einen Teil des Stroms. Mit einem Gatter aus Kunststoff
verhindern die Kasseler Forscher, dass die Fische auf ihrer Wanderung in den
Kraftwerkskanal einschwimmen und den Weg durch das ursprüngliche Mutterbett des
Flusses wählen. Es sei angedacht, in der Fulda bei Fulda-Kämmerzell eine
Pilotanlage zu bauen, sagt Dr. Hassinger.
Christine Mandel, Abt. Kommunikation und Internationales
Universität
Kassel
Dr.-Ing. Reinhard Hassinger
tel: (0561) 804 3291
fax: (05606) 60232
mobil: (0175) 5257745
e-mail: vpuw@uni-kassel.de
Universität Kassel
Fachbereich Bauingenieurwesen
Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau