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Neuer Grenzwert für Abwasser?
Umweltbundesamt präsentiert Strategie für geringere Belastung durch Fluorverbindungen
Fluorierte Chemikalien lassen sich vielseitig einsetzen, doch für die Umwelt bereiten sie Probleme. Weil sie so stabil sind, finden sie sich inzwischen in Flüssen, im Trinkwasser, in der Luft, im Schnee der Arktis und in menschlichem Blut. Manche dieser Stoffe sind in hohen Konzentrationen für den Menschen schädlich. Das Umweltbundesamt plant nun, die Belastungen zu senken.
Per- und polyfluorierte Chemikalien
sind Alleskönner. Sie machen Sitzbezüge, Teppiche und Jacken, aber
auch Verpackungsmaterialien für Lebensmittel wasser- und
schmutzabweisend. Auch Industriebetriebe setzen sie wegen dieser
Eigenschaften gerne ein. Doch es gibt ein Aber. Christoph Schulte,
Leiter des Fachgebiets Chemikalien im Umweltbundesamt.
"Alle
perfluorierten Chemikalien sind extrem persistent. Das heißt, sie
sind kein interessantes Substrat für Mikroorganismen. Sie werden
nicht abgebaut in der Umwelt. Das heißt, sie verbleiben in der
Umwelt."
So
müssen bayrische und nordrhein-westfälische Wasserwerke heute das
Trinkwasser aufwendig mit Aktivkohle reinigen. Diese Substanzen sind
auch für Menschen bedenklich. Von zweien ist bekannt, dass sie bei
Ratten und Mäusen die Entwicklung von Tumoren fördern. Christoph
Schulte hat ein ehrgeiziges Ziel.
"Wir
müssen in zehn Jahren erreicht haben, dass die Konzentrationen im
Blut der Bevölkerung, die wir jetzt messen, auf ein Viertel
runtergegangen sind."
Das
Umweltbundesamt präsentiert daher heute seine
'Anti-Fluor-Strategie'. Der Kern ist ein neuer Grenzwert: Kein
Liter Abwasser soll mehr als 0,1 Mikrogramm an
solchen fluorierten Substanzen enthalten dürfen. Für viele Betriebe
wäre das zwar eine scharfe Vorgabe, doch einige Unternehmen stellen
sich bereits auf solch eine strenge Regelung ein.
"Wir
kennen Unternehmen, die bereits sehr große Anstrengungen gemacht
haben und Probeanlagen laufen, wo sie quasi das PFOS ist es im
Bereich der Galvanik - die Sulfonsäure -, um das PFOS nahezu
vollständig aus dem Abwasserstrom wieder herauszuholen."
Ein
Beispiel: Ein Galvanikbetrieb aus dem Schwarzwald, der unter anderem
Armaturen und Brausen herstellt, schafft es, fast 90 Prozent der PFOS
- der Perfluoroktansulfonsäure - aus dem Abwasser herauszufiltern.
Doch Patricia Cameron vom Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland bezweifelt, ob der Abwassergrenzwert ausreichen wird, um
Mensch und Umwelt wirklich besser zu schützen. Sie fordert ein
generelles Einsatzverbot.
"Für
uns ist es ausschließlich akzeptabel, dass wirklich für ganz wenige
explizite Anwendungen, wo es vielleicht wirklich gesellschaftlich
absolut notwendig ist, sie anzuwenden und es keine Alternative gibt.
Was gemacht werden müsste, ist, dass man Ausnahmegenehmigungen gibt
für einen kurzen Zeitraum, sagen wir drei Jahre, und das dann
überprüft und dass die Unternehmen auch aufgefordert sind, in
diesen drei Jahren eben auch Alternativen zu entwickeln, und dass es
da auch eine kontinuierliche Überwachung gibt."
Die
Anti-Fluor-Strategie hat zudem eine Schwäche: Vorschläge, um
Emissionen fluorierter Chemikalien aus Textilien, Teppichen oder
antihaftbeschichteten Pfannen zu senken, fehlen. Verbraucher könnten
sich aber selber schützen. Patricia Cameron:
"Der
Verbraucher hat natürlich auch über sein eigenes Kaufverhalten
immer die Möglichkeit, der Industrie zu zeigen, dass er diese Stoffe
nicht mehr haben möchte. Indem er den Händler darauf hinweist und
sagt: 'ich möchte das nicht kaufen, haben sie nicht eine
Alternative?' Und so was wird natürlich in der Lieferkette nach oben
gegeben, landet dann später beim Hersteller. Und das ist eine gute
Möglichkeit, um auch auf Unternehmen Einfluss zu nehmen."
Dass
auf Alltagsprodukte, die mit langlebigen fluorierten Chemikalien
behandelt sind, verzichtet werden kann, weiß auch Christoph Schulte.
Er erinnert sich gerne an einen Anrufer.
"Er
sagte, er bräuchte eine neue Markise für seine Terrasse, und die
wären nun fast alle beschichtet. Ob das denn sein müsste, oder ob
es auch andere Techniken gibt. Ich habe ihm versucht, klar zu machen,
es muss nicht mit einer perfluorierten Beschichtung sein. Ich will
jetzt keine Markennamen nennen. Aber: Das muss nicht sein."
Das
Umweltbundesamt hat sich zudem vorgenommen, die Rückstände an
solchen Substanzen in Verbraucherprodukten EU-weit zu beschränken.
Schrittweise und mit Hilfe der Verbraucher will das Amt so die
Belastung von Mensch und Umwelt senken.
Von
Ralph Ahrens