Freitag, April 19, 2024
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Schlecht absetzbare Belebtschlammflocken – Ursachen und Lösungen

Das Belebtschlammverfahren ist das am weitesten verbreitete Verfahren zur Reinigung kommunaler Abwässer. Die Qualität des Ablaufwassers hängt sehr stark von der Effizienz der Fest/Flüssig-Trennung im Nachklärbecken ab. Diese ist nur hoch, wenn die Bildung von Belebtschlammflocken im Belebungsbecken ungestört funktioniert. Im Zuge der weitergehenden Abwasserreinigung ist auf Kläranlagen die Stickstoff- und Phosphorelimination eingeführt worden. Besonders für die Optimierung der Nitrifikation ist der Parameter „Säurekapazität“ von großer Bedeutung, da die nitrifizierenden Bakterien Säure produzieren. Verfügt das Abwasser nicht über eine ausreichend hohe Säurekapazität, kann der pH-Wert unter 7,0 fallen. In diesem pH-Bereich sind jedoch sowohl die Nitrifikationsleistung als auch die Belebtschlammflockenbildung stark beeinträchtigt. Doch nicht immer ist eine zu geringe Säurekapazität die alleinige Ursache für kleine, leichte und scherempfindliche Belebtschlammflocken. Fast genau so häufig sind erhöhte Natriumkonzentrationen im Zulauf für schlecht absetzbare Belebtschlammflocken (mit)verantwortlich. Wodurch entstehen schlecht absetzbare Belebtschlammflocken?

Ursache für die ungünstige Flockenstruktur ist in der Regel die Aneinanderreihung folgender Umstände: • Niedrige Härtegrade im Einzugsbereich der Kläranlage und/ oder ein hoher Anteil an Niederschlagswasser im Zulauf führen zu niedrigen Calciumgehalten im Zulauf der Kläranlage.
• Der Belebtschlamm und das zufließende Abwasser kommen in Kontakt und die Calciumionen im Schlamm und im Wasser verteilen sich gemäß dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht auf beide Fraktionen.
• Ist die Calciumkonzentration im Zulauf gering – was bei hohem Niederschlagswasseranteil die Regel ist – wird dem Belebtschlamm viel Calcium entzogen und gelangt in den Vorfluter. Da das Calcium jedoch für den Zusammenhalt der Belebtschlammflocken entscheidend verantwortlich ist, werden die Flocken mit der Zeit immer kleiner, leichter und scherempfindlicher.
• Aufgrund der Nitrifikation, bei der Salpetersäure (HNO3) entsteht, wird Calcium zur Bildung von Puffersubstanzen (Calciumhydrogencarbonat) benötigt und bei Bedarf aus dem Belebtschlamm herausgelöst. Je mehr nitrifiziert wird, desto mehr Calcium muss aus dem Schlamm herausgelöst werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man Trübund Filtratwässer behandelt.
• Bei der Denitrifikation wird Lauge produziert, wodurch die Hälfte der bei der Nitrifikation verbrauchten Säurekapazität zurückgewonnen werden kann. Ist die Denitrifikationsleistung aufgrund von „Futtermangel“ (Mangel an leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen) nur eingeschränkt möglich, wird auch wenig Säure abgepuffert. Der pH-Wert im Ablauf sinkt.
• Bei niedrigen Temperaturen löst sich Sauerstoff im Belebungsbecken wesentlich besser als bei hohen Temperaturen. Deshalb kann die Belüftungsintensität reduziert werden. Infolgedessen wird jedoch auch weniger CO2 aus der Belebung herausgestrippt und bleibt als Kohlensäure im Wasser. Diese Kohlensäure verbindet sich ebenfalls mit Calcium zu Calciumhydrogencarbonat und gelangt in den Vorfluter.
• Reicht das im Zulaufwasser und im Belebtschlamm verfügbare Calcium nicht mehr aus, um sowohl die bei der Nitrifikation entstehende Salpetersäure als auch die beim C-Abbau entstehende Kohlensäure anzupuffern, sinkt der pH-Wert des Abwassers, wodurch die Nitrifikation deutlich verlangsamt wird, bis sie zum Erliegen kommt.
• Bei einem pH-Wert < 6,8-7,0 im Belebungsbecken ist das Wasser in der Belebung in der Regel „kalkaggressiv“ und löst alle verfügbaren Kalk- bzw. Calciumverbindungen sowohl im Belebtschlamm als auch im Beton der BeckenBeckenwände auf. Die gelösten Calciumverbindungen gelangen in den Vorfluter. Mit der Zeit können so erhebliche Schäden am Beton entstehen.
• Ohne Calciumverbindungen im Schlamm gibt es keine wirksame Belebtschlammflocke. Der Belebtschlamm treibt bei hydraulischer Belastung der Kläranlage in Form von Feinsuspensa ab. Der Ablauf ist trüb, die CSB- und Ges.-PGehalte steigen deutlich an.
• Kommt der durch oben genannte negative Einflüsse vorgeschädigte Belebtschlamm mit Natriumionen etwa aus industriellen Abwässern oder durch Streusalzeinsatz im Einzugsgebiet in Kontakt, tauschen die Natriumionen die verbleibenden Calciumionen im schlimmsten Fall innerhalb weniger Stunden aus, sodass der Belebtschlamm vollends seine Flockungsfähigkeit verliert.

Zusammenfassend führen folgende Faktoren zu schlecht absetzbaren Belebtschlammflocken in Kläranlagen:
• niedrige Wasserhärte im Trinkwasser des Einzugsgebiets,
• hoher Niederschlagswasseranteil im Zulauf,
• geringe Temperaturen,
• hohe Stickstoffgehalte im Zulauf,
• Behandlung von Trüb- und Zentratwässern,
• eingeschränkte Denitrifikation aufgrund von „Futtermangel“,
• häufiger Schneefall mit Streusalzeinsatz,
• hohe Natriumgehalte im Zulauf,
• ineffektive Belüftungssysteme. Leider treffen alle Faktoren vor allem im Winter, aber teilweise auch im Sommer zu. Die einzige Möglichkeit, den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen, ist eine gezielte Calciumzugabe mit Hilfe eines geeigneten calciumhaltigen Produkts.

Dafür kommen folgende Kalkprodukte in Frage:
• Kreide (CaCO3),
• Kalkhydrat,
• Dolomit (CaCO3+MgCO3)
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http://www.die-wasserlinse.de/download/ausgabe_1210/wl12_komplett.pdf

Autor:
Kirsten Sölter
Bioserve GmbH
Tel. +49 (0)6131/90622-68
soelter@bioserve-gmbh.de