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Diagnose: Zu hoher Druckverlust!

Im Jahre 2003 wurde in Österreich im Rahmen der Kläranlagen-Nachbarschaften eine Umfrage
über Probleme mit steigendem Druckverlust bei feinblasigen Belüftungssystemen durchgeführt.
Insgesamt 321 ausgefüllte Fragebögen von Anlagen mit feinblasiger Druckbelüftung konnten dabei
ausgewertet werden. Von diesen 321 Anlagen waren 131 mit Rohrbelüftern, 110 mit Plattenbelüf-
tern und 80 mit Tellerbelüftern ausgerüstet. Von 117 Betreibern wurden auch Druckmesswerte an-
gegeben. Mit der jeweiligen Einblastiefe wurde daraus auf Basis von Erfahrungswerten ein zulässi-
ger Bereich für den Gegendruck ermittelt. Die Auswertung dieser Fragebogenaktion zeigte, dass auf
einer großen Anzahl von Anlagen deutlich größere Systemdrücke auftraten, als zu erwarten gewe-
sen wäre. Weitere Resultate dieser Umfrage wurden beim Sprechertag der österreichischen Kläran-
lagennachbarschaften 2003 vorgestellt [1].

Auffällig war, dass von einigen Betreibern angegeben wurde, dass auf ihrer Anlage Probleme mit
steigendem Gegendruck auftreten, obwohl dies anhand der angegebenen Messwerte nicht der Fall
war. Umgekehrt erklärten aber auch einige Teilnehmer, deren Druckwerte deutlich erhöht waren,
dass sie keine Probleme mit steigendem Gegendruck haben.

Aufgrund der z.T. widersprüchlichen Ergebnisse der Umfrage wurde sodann ein Projekt gestartet,
dessen Ziel es war, eine einfache, praktikable und aussagekräftige Arbeitsanleitung zu erarbeiten,
die es den Kläranlagenbetreibern ermöglicht, einen erhöhten Systemdruck im Druckluftbelüftungs-
system zu erkennen und zu bewerten.

Das Projekt wurde mit Mitteln der Kläranlagen-Nachbarschaften finanziell unterstützt.

Aus den Teilnehmern der Fragebogenaktion wurden zunächst einige Anlagen ausgewählt und auf
diesen Messungen mit einem umfangreichen Messprogramm vorgenommen. Anschließend wurden
die ermittelten Daten einmal unter Verwendung aller Informationen [2] und einmal unter Verwen-
dung eines reduzierten Datensatzes mit Erfahrungswerten ausgewertet. Dabei zeigte es sich, dass
auch mit einer vereinfachten Vorgangsweise ein erhöhter Druckverlust der Belüfterelemente er-
kannt werden kann. Nach Adaptation des Messprogramms wurden insgesamt 30 Anlagen besucht
und Druckmessungen durchgeführt.

Hinweis: Die Methode wurde an abstellbaren (Membran-) Belüftern entwickelt und sollte in der
vorliegenden Form nicht für starrporöse Belüfterelemente angewendet werden.

ARBEITSANLEITUNG ZUR ERMITTLUNG DES DRUCKVERLUSTES VON BELÜFTERELEMENTEN

Zur Ermittlung des Druckverlustes und Bewertung der Ergebnisse sind mindestens folgende In-
formationen erforderlich:

•  Bauform der Belüfterelemente
Einblastiefe (berechnet aus Anlagendaten und Messwerten)
Druck im Luftsystem (mit Angabe des Messortes)

Einblastiefe
Die Einblastiefe kann man, je nach vorhandenen Informationen, wie folgt berechnen:

•  Einblastiefe = Wassertiefe ­ Einbauhöhe  (Gleichung 1)
•  Wassertiefe = Beckentiefe ­ Freibord  (Gleichung 2)

Die Bezeichnungen für die Beckengeometrie der Anlage ist aus der Abbildung 1 ersichtlich

Abbildung 1: Beckenschnitt – Bezeichnungen
Bild Diagnose-1.jpg
Ermittlung der Wassertiefe:

•  Die Messung hat ohne Luftbeaufschlagung der Belüfter zu erfolgen. Vorhandene Rührwerke
können, wenn an der Messstelle keine Wellenbildung zu erkennen ist, in Betrieb bleiben.
•  Aus bekannten Planmassen oder Niveaus von Überfallkanten etc. und der Messung einer Hö-
hendifferenz (Freibord) wird die Wassertiefe berechnet.
Die direkte Messung mit einer langen Stange oder einer Kette mit Gewicht ist ebenfalls mög-
lich. Wenn die Beckensohle ein Gefälle hat, muss man darauf achten an welcher Stelle die
Wassertiefe gemessen wird. ACHTUNG bei starker Strömung kann diese Messung nicht er-
folgen.

Ermittlung der Einbauhöhe der Belüfterelemente
Die Einbauhöhe ist in der Regel aus Plänen zu entnehmen oder nach Angaben in der Anlagendo-
kumentation zu berechnen. Falls solche Pläne nicht existieren kann man sich mit Erfahrungswer-
ten behelfen (siehe Berechnungsbeispiel). Bei Tellern und Platten wird der Abstand von der O-
berkante und bei Rohren von der Rohrmitte bis zur Wasseroberfläche ermittelt.

Berechnung des hydrostatischen Druckes
Aus der ermittelten Einblastiefe kann der durch die Einblastiefe hervorgerufene hydrostatische
Druck berechnet werden. Es gilt

•  pEinblastiefe [hPa] = Einblastiefe [m] x 98,1 [hPa/m]  (Gleichung 3) 

Da die Einheit Pascal ,,unhandlich“ ist und viele Fachleute ihren Erfahrungsschatz in Bar oder
Millibar im Kopf haben ist die folgende Umrechnungen hilfreich: 1 mWS = 98,1 hPa = 98,1
mbar

Druckmessung
In der folgenden Abbildung 2 ist das Gebläse und der Rohrleitungsverlauf schematisch dargestellt.
P0 ist der aktuelle Luftdruck. P1 ist der Differenzdruck (gegen den aktuellen Luftdruck) vor der
Gebläsestufe (direkt am Saugstutzen), er stellt den Druckverlust der saugseitigen Einbauten dar. P2
ist der Differenzdruck nach der Gebläsestufe (direkt am Druckstutzen) und P3 ist der Differenz-
druck nach der Gebläsestation (z. B. an der Beckenkrone). Der Druck P4 ist der Druck im Verteil-
rohrsystem am Beckenboden gemessen an der Entwässerungsleitung. Er enthält die Druckverluste
der Verteilrohre an der Beckensohle, den Austrittsdruckverlust der Belüfter und den hydrostati-
schen Druck. Die vom Gebläse aufzubringende Drucksteigerung ist P2-P1.

Abbildung 2: Gebläse- und Rohrleitungsschema
Bild Diagnose-2.jpg

Zur Beurteilung des Druckverlustes der Belüfterelemente ist vorzugsweise der Druck P4 an einer
Entwässerungsleitung an der Beckenkrone zu messen. Wird ein Differenzdruckmessgerät einge-
setzt, ist der abgelesene Druck P4 der Überdruck in der Rohrleitung gegenüber dem Luftdruck. Die-
ser Überdruck resultiert aus der Einblastiefe, dem Druckverlust in der Rohrleitung von der Mess-
stelle bis zum Belüfterkörper, dem Druckverlust des Belüfterkörpers (Düsenöffnungen, Drosselboh-
rungen, Schutzkappen, Rückschlagsicherungen, usw.) und dem Druckverlust der Membran. Die
Summe aus dem Druckverlust des Belüfterkörpers und der Membran ist der Druckverlust des Be-
lüfterelementes. Der anzusetzende Druckverlust der Rohrleitung variiert je nach Messort. Liegen
keine Messwerte vor können die angegebenen Erfahrungswerte (siehe nächstes Kapitel) verwendet
werden.

•   pMessung = pEinblastiefe + pRohrleitung + p(Belüfterkörper + Membran) (Gleichung 4) 

Die Gebläse sollen während der Messung mit konstanter Drehzahl laufen. Die Drehzahl soll dem
mittleren Betriebszustand entsprechen. Bei Wiederholung der Messung ist immer der gleiche Be-
triebszustand einzustellen.

Alle Entwässerungsleitung sind vor der Druckmessung zu öffnen um vorhandenes Wasser zu ent-
fernen. Wenn weder Wasser noch Luft austritt, so ist die Leitung verlegt und kann für die Druck-
messung nicht verwendet werden.

Voraussetzung für eine aussagekräftige Messung ist auch, dass keine Schäden an den Verteilrohren,
den Entwässerungsleitungen und den Belüfterelementen vorhanden sind. Falls Belüftermembranen
gerissen oder z.B. Endkappen abgesprengt wurden tritt dort in der Regel viel Luft aus, so dass der
gemessene Druck nicht für eine Beurteilung herangezogen werden kann.

Durch Umformen der Gleichung 4 kann der Druckverlust der Belüfterelemente im derzeitigen Zu-
stand berechnet werden:

p(Belüfterkörper + Membran) = pMessung – pEinblastiefe – pRohrleitung  (Gleichung 5) 

Der so ermittelte Wert entspricht dem Druckverlust der Belüfterelemente im aktuellen Zustand. Zur
Vereinfachung wird der aktuelle Druckverlust im folgenden Text mit paktuell bezeichnet. Dieser
Druckverlust ist nun mit dem Druckverlust eines neuen Belüfterelementes (im weitern pneu genannt)
zu vergleichen.

Leider sind nur auf sehr wenigen Anlagen Druckmesswerte der Belüfterelemente im Neuzustand
verfügbar. Praktisch keine Messwerte gibt es über die Abhängigkeit des Druckverlustes vom Luft-
durchsatz. Für die Beurteilung des gemessenen Druckverlustes muss daher fast immer auf Erfah-
rungswerte und die Angaben der Hersteller zurückgegriffen werden.

Auf Basis der erhobenen Umfragedaten und den Erfahrungen bei den Messungen im Rahmen des
Projektes hat sich folgende Einteilung als brauchbar erwiesen:

paktuell/pneu = kleiner als 2,5:  Weiter beobachten. Messung in 3 bis 4 Wochen wiederholen. 
paktuell/pneu = größer als 2,5: Handlungsbedarf! (z.B. Wartung entsprechend Herstelleranga-
ben durchführen.) Je nach Einblastiefe tritt bereits ein um 5-10%
erhöhter Energieverbrauch für die Belüftung auf. 
paktuell/pneu = größer als 3,0: Großer Handlungsbedarf, erhöhter Energieverbrauch und Gefahr
von Beschädigungen. 

Erfahrungswerte
In der Tabelle 1 sind Erfahrungswerte für die Einbauhöhe und den Druckverlust von Belüfterele-
menten im Neuzustand pneu zusammengestellt. Die Druckverlustwerte gelten für die üblicherweise
auftretenden Luftbeaufschlagungen. Die Abweichungen überschreiten selten
10%. Durch die Verwendung dieser Werte wird der Vergleich mit dem messtechnisch ermittelten Druckverlust wesentlich einfacher. Es entfällt die Luftvolumenstromermittlung sowie die Beschaffung und Auswertung der Datenblätter der Belüfterelemente.

Tabelle 1: Erfahrungswerte

  Tellerbelüfter  Rohrbelüfter  Plattenbelüfter 
Einbauhöhe [m]  0,2 bis­ 0,3  0,2 ­ bis 0,3  0,1 bis­ 0,2 
pneu [hPa]
Druckverlust eines neuen Belüfters 
35  45  55 

Für den Rohleitungsverlust pRohrleitung können folgende Werte verwendet werden:
Bei Messung an einer Entwässerungsleitung: pRohrleitung = 2 bis 5 hPa
Bei Messung im Gebläsehaus: pRohrleitung = 10 bis 20 hPa.

BERECHNUNGSBEISPIEL
Die im Vorangegangenen beschriebene Methode soll nun an einer Anlage mit Tellerbelüftern de-
monstriert werden. Folgende Daten wurden ermittelt bzw. gemessen:

Belüftertype    Tellerbelüfter 
Beckentiefe (aus einem Plan)  7,00 
Freibord (gemessen ohne Luft)  0,80 
Einbauhöhe (aus einem Plan)  0,30 
Messort    P4 Entwässerungsleitung 
pMessung  hPa  683 

Bei einer Beckentiefe von 7,0 m, einem Freibord von 0,8 m und einer Einbauhöhe von 0,3 m
errechnet man die Einblastiefe mit Gleichung 1 und Gleichung 2 zu (7,00 ­; 0,80 ­ ; 0,30) = 5,90
m.
Den hydrostatischen Druck berechnet man mit Gleichung 3 zu: pEinblastiefe = 5,9 m x 98,1 =
579 hPa

An der Entwässerungsleitung beim Becken wurde der Differenzdruck pMessung = 683 hPa gemes-
sen. Mit Gleichung 5 und den Erfahrungswerten ergibt sich der aktuelle Druckverlust zu:
paktuell = 683hPa ­ – 579hPar ­ – 3hPa = 101 hPa

Verwendet man zu Vergleichszwecken nun den Druckverlust eines neuen Tellerbelüfters bei
üblicher Luftbeaufschlagung von pneu = 35 hPa so errechnet man ein Verhältnis von
paktuell/pneu =101h Pa/35 hPa = 2,9 

Nach dem vorgeschlagenen Bewertungsschema bedeutet ein Druckverhältnis größer als 2,5, dass
bereits deutlicher Handlungsbedarf besteht. Es sind Maßnahmen zu setzen um ein weiteres Ansteigen des Druckes zu verhindern bzw. den bestehenden Druckverlust zu reduzieren. Es wird
empfohlen mit dem Lieferanten bzw. Hersteller der Belüfterelemente Kontakt aufzunehmen um
die zu setzenden Maßnahmen abzustimmen. Mögliche Maßnahmen zur Reduktion des Druckver-
lustes wurden schon mehrfach vorgestellt [3], [4] und [5] 

ERGEBNISSE DER DRUCKMESSUNGEN
Im Rahmen des Projektes wurden 30 Kläranlagen mit Druckbelüftungssystem besucht. Auf 26
Anlagen konnten verwertbare Messungen durchgeführt und Resultate erhalten werden. 14 Anla-
gen waren mit Tellerbelüftern, 3 mit Rohrbelüftern und 9 mit Streifen bzw. Plattenbelüftern aus-
gerüstet. Die Auswertung der Messungen hat ergeben, dass auf mehr als der Hälfte aller Anlagen
der aktuelle Druckverlust mindestens das 2,5 fache des Druckverlustes neuer Belüfter beträgt.
Der vollständige Bericht über das Projekt, die Arbeitsanleitung für die Druckmessung sowie die
betreffenden Präsentationen der Vorträge an den Sprechertagen stehen auf der Hompage der
ÖWAV – Kläranlagen-Nachbarschaften (www.kan.at unter Download – Berichte) kostenlos zur
Verfügung.

DANK
An dieser Stelle möchte ich den ÖWAV ­ Kläranlagen-Nachbarschaften für die finanzielle Un-
terstützung danken. Ohne diese Unterstützung wären die Besuche auf den Anlagen und die dar-
aus resultierende praktische Erprobung der Messanleitung nicht möglich gewesen. 

LITERATUR

[1]  W. Frey: Fragebogen Belüftungssysteme ­ Ergebnisse der Umfrage Frühjahr 2003. Informa-
tionsreihe Betriebspersonal Abwasseranlagen, Folge 11, S. 59 ­ 67. 2003
[2] W. Frey: Druckanstieg bei Belüftungssystemen – Neue Erkenntnisse. Informationsreihe Be-
triebspersonal Abwasseranlagen, Folge 12, S. 67 ­ 79. 2004. 
[3] W. Frey: Betriebserfahrungen mit Belüftungssystemen. Informationsreihe Betriebspersonal
Abwasseranlagen, Folge 10, S. 59 ­ 67. 2002. 
[4] W. Frey: Mechanische Reinigung feinblasiger Druckbelüftungselemente,
KA-Betriebs-Info 2004 (34) Nr.2, S. 1210 ­ 1214. 
[5] W. Frey: Chemische Reinigung feinblasiger Druckbelüftungselemente,
KA-Betriebs-Info 2004 (34) Nr.4, S. 1255 ­ 1258. 

Dipl.-Ing. Dr. Wilhelm Frey
Ingenieurkonsulent für Maschinenbau
Abwassertechnische Ausbildung und Beratung
Leobendorf / Hofgartenstraße 4/2
A-2100 Korneuburg
Telefon : ++43 (0) 2262 68 173
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